Fremdenfeindlichkeit & Rassismus im Vanlife

Dieser Beitrag ist vorgezogen, da uns das Thema Rassismus sehr am Herzen liegt, und findet nach den Ereignissen statt, die Du am 26.07.24 im regulären Reisetagebuch nachlesen kannst. Heute liest Du mal etwas ganz Anderes von uns. Um das von Anfang an klarzustellen: Wir haben bisher mit Menschen im Ausland durchweg positive Erfahrungen gemacht. Der Vorfall aus diesem Artikel stellt bisher eine Ausnahme dar und auch im Rest von Skandinavien haben wir so etwas noch nicht erlebt. Dieser Beitrag enthält unbezahlte Werbung. Gute Unterhaltung 🙂

Spontanes Vanlifer Treffen

Dass wir in diesen traumhaften Tagen mit tollen Menschen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus begegnen, hätten wir uns nicht träumen lassen. Wir leisten einem spontanen Vanlifer-Treffen auf den Lofoten Gesellschaft. Da wir noch nicht viele Vollzeit-Vanlifer oder Influencer persönlich kennen, sind wir unsicher, ob wir da reinpassen. Die Sorgen sind aber von der ersten Sekunde wie weggeblasen. Ausnahmslos alle sind freundlich und herzlich, man hat das Gefühl, dass einem auch zugehört wird, und nicht alle schon darauf warten, über sich zu reden. Niemand rennt die ganze Zeit mit dem Smartphone rum – eher im Gegenteil. Wir kannten viele von ihren Instagram-Profilen oder Blogs, weil sie uns sympathisch waren. In Wirklichkeit war das sogar noch viel intensiver. Wenn man so viele tolle Menschen trifft, dann trifft man natürlich zwangsläufig auch mal Menschen, die einen dazu benutzen, um mal so richtig Dampf abzulassen. 

„Ihr scheiß dummen Deutschen habt den Krieg verloren!“

Folgendes Szenario: Wir stehen mit sechs Vans an einem abgelegenen Ort, der durchaus nicht unbedingt einfach zu finden oder zu erreichen ist. Der Platz selbst ist dadurch voll, es gibt aber viele andere Möglichkeiten rings rum um zu parken oder um alleine zu sein. Oft, und so auch hier, werden solche Plätze vorwiegend von Anglern genutzt. Eines Morgens wendet dann ein norwegisches Auto an unseren Vans, die Frau auf dem Beifahrersitz regiert auf Lisis Lächeln mit einem Mittelfinger. Wir, einige von uns, die draußen stehen, sind verblüfft über die nette Geste und dann hält das Auto an. Der Fahrer steigt aus, ein Mann vermutlich um die 60, und fragt uns sehr laut und aufgebracht, ob wir denn eine Genehmigung hätten und erzählt uns, dass die gesamten Lofoten ja Privatbesitz seinen. Wir erwidern, dass wir da alle anders informiert sind, und er sagt „Ihr Deutschen müsst scheiße dämlich sein“. Und das, was wir hier tun, illegal sei. Wir fragen ihn, ob jemandem den Mittelfinger zu zeigen in Norwegen auch eine Straftat ist; in Deutschland wäre das nämlich so. Fand er irgendwie nicht lustig. War natürlich auch nicht besonders deeskalativ von uns, geben wir zu. Aber das mit dem Stinkefinger muss ja nicht sein, wir lassen ja über alles mit uns reden und sehen in Summe auch nicht besonders gefährlich oder abschreckend aus, würden wir behaupten. Er sagt dann, dass wir scheiß Deutschen ja den Krieg verloren hätten. Da klinkt sich Olli Beifall klatschend aus dem Gespräch aus. Spätestens ab hier kann man ja keinen produktiven Dialog mehr unterhalten. Dann steigt seine Frau aus dem Auto. Jetzt denkst Du, dass sie ihn beruhigen will. Dachten wir auch. Aber nein: Mit weit aufgerissenen Augen schreit sie hemmungslos aus tiefster Seele, dass ihr Bruder Polizist sei und nochmal irgendwas mit scheiß Deutschen. Langsam erkennen wir hier ein Muster. Wir haben wirklich Angst, dass ihre Augen aus den Augenhöhlen fallen oder gar platzen. Wir sind kurz selbst geneigt, die Polizei dazu zu holen, müssen diesen Wahnsinn aber auch nicht weiter am Leben erhalten. Wir sollen zur Hölle fahren, sagt der umgängliche Süßbert, steigt in sein Auto und fährt weg.

Das eigentliche Problem

Erschreckend ist die Situation im Gesamtbild schon, denn wir haben niemandem etwas getan und die beiden Schätzchen haben dermaßen die Kontrolle verloren, als hätten wir weiß Gott was getan. Es ist natürlich offensichtlich, dass nicht wir das Problem waren, und die beiden vermutlich einen ganzen Sack an Problemen mit sich trugen, als sie bei uns ankamen. Die vorgefundene Situation hat wahrscheinlich nicht ihren Erwartungen entsprochen und das Fass dann zum Überlaufen gebracht. Lina meinte noch treffend, dass die beiden vielleicht einfach mal eine Umarmung brauchen. Alle von uns haben Verständnis dafür, wenn jemand ein Problem mit parkenden Vans hat. Gerade auf den Lofoten gibt es oft nur kleine Parkbuchten; wenn da drei Vans ungünstig parken, dann nimmt man vielen Einheimischen und Autofahrern die Möglichkeit, die Plätze zu erkunden. Das war an diesem Ort aber nicht der Fall. Deswegen waren wir da. Wir sind uns alle bewusst über die generelle Parksituation und sind immer bemüht, für alle eine Lösung zu finden, und fahren meistens weiter, wenn wir das Gefühl haben, dass irgendwo schon zu viele Vans stehen. Und manchmal geht es eben einfach nicht anders. Wir sind auch nicht die Schuldigen für den Tourismus im Gesamten oder für die mangelnden Parkplätze, die geografisch bedingt nun mal so sind, wie sie sind. Am Ende ist es auch egal, wer da parkt oder wie viele. Wenn der Parkplatz voll ist, ist er voll. Da hilft nur Akzeptanz der Situation, alles andere ist im wahrsten Sinne des Wortes Wahnsinn.

Auflösung der Situation

Irgendwie fühlen wir uns schlecht, unfair behandelt, ungehört und ausgeschlossen. Und so beschäftigt uns dieser unglaublich fremdenfeindliche Akt der Selbstoffenbarung noch ein paar Stunden danach. Denn das Aggressionsniveau und Kontrollverlust der beiden sowie die wiederholten Statements gegen Deutsche waren irgendwie schon schwer zu verdauen. Wir sind froh, dass wir insgesamt eine sehr ruhige und entspannte Truppe waren und dadurch die Grundstimmung während und nach dem Vorfall nicht kippte. Man könnte jetzt sagen, „der Klügere gibt nach“, aber wir glauben nicht, dass Intelligenz hier unbedingt ein entscheidender Faktor ist und möchten auch nicht weiter spalten. Wir waren sowieso im Begriff zu fahren, das heißt, die meistens von uns. Wir, Anika und Olli, wollten eigentlich noch eine Nacht alleine an diesem Ort bleiben. Nach dem vortrefflichen Plausch mit den herzlichen Einheimischen war aber dann ein Platzwechsel plötzlich total attraktiv. 

Was kann man besser machen?

Wir wünschen uns im Nachhinein, wir hätten die Ruhe gefunden, um die Menschen auf ein Getränk einzuladen, um mit Ihnen zu sprechen. Wir hätten so gerne gewusst, was Sie dazu bewegt hat, so auszuflippen. Vielleicht hat es wirklich etwas mit dem Fehlverhalten von Deutschen oder insgesamt Touristen zu tun. Vielleicht war es ja nur ein kultureller Unterschied, eine Kleinigkeit, ein blinder Fleck, durch dessen Erkenntnis wir unser Verhalten hätten ändern können. Ob das für das Paar in diesem Moment möglich gewesen wäre, sich von diesen starken Emotionen zu lösen, wissen wir aber nicht. Keiner von uns ist laut geworden oder hat gebrüllt, während die beiden sich vergessen haben; wir haben also im Grunde durch unser Verhalten vermittelt, dass wir fähig sind, darüber zu reden. Am Ende muss jeder bei sich selbst anfangen, seine Schwächen erkennen, daran arbeiten und lernen, wie man Konflikte miteinander lösen kann.

Ein Licht in der Dunkelheit

Das Ganze ist ein Paradebeispiel dafür, wie wichtig offene, respektvolle Kommunikation ist und dass sich durch Aggression und Hass kein Problem lösen lässt. Jeder Einzelne aus der Vanlifer Truppe ist offen und respektvoll zu anderen, und alle geben ihr Bestes, nicht einfach mal schnell über andere Menschen zu urteilen. Es ist schon witzig, wie stark der Kontrast zwischen dem Image der „Im Auto Lebenden Hippie Fake Influencer“ oder „Aussteiger mit gescheitertem Leben“ und der Realität sein kann. In den meisten Fällen treffen wir auf unseren Abenteuern Menschen, die nicht selten bedeutend jünger sind als wir und uns reifer und bewusster erscheinen, als so manche Gleichaltrigen, die wir so kennen. Das gibt uns so viel Kraft und Hoffnung in die Entwicklung unserer Gesellschaft, die man durchaus mal verlieren kann, wenn man blind den Medien folgt oder von fremdenfeindlichen Zuckerschnecken mal so richtig angebrüllt wird. Wir sind unendlich stolz, Teil dieser Gruppe gewesen zu sein und haben in dieser kurzen Zeit echte Freundschaften geschlossen. Wir möchten aber nicht vermitteln, dass alle Menschen, die im Van leben, cooler sind als andere. Im Gegenteil, wir glauben, dass alle Menschen gleich sind. Wie schonmal im Italien Abenteuer mit Tier in Not erwähnt, hilft uns das Internet und die verfluchten sozialen Medien in Kontakt zu bleiben, uns auszutauschen und uns wiederzusehen. Wir sind wieder einmal dankbar für den Segen der Technologie. Aber bitte verantwortungsvoll genießen 🙂

Schlussplädoyer

Können wir damit aufhören, in „Wir“ und „die Anderen“ zu denken? Kein Mensch ist mehr wert als der andere. Kein Geburtsland der Welt gibt einem das Recht, sich über andere zu erheben. Wir sind alle auf der Erde zu Gast. Lasst uns miteinander etwas Schönes schaffen. Gemeinsam Dinge verändern und miteinander reden. Andere Meinungen und Standpunkte akzeptieren und offen bleiben. Nicht darauf warten, dass irgendjemand anders etwas tut. Und wenn die Schritte noch so klein erscheinen, irgendwo müssen wir anfangen. Vielleicht ist es eine Entschuldigung. Vielleicht nehme ich mich selbst im nächsten Gespräch einfach etwas zurück und gebe meinem Partner Raum. Oder ich nehme einfach mal jemanden in den Arm (dabei darauf achten, wie weit die Augen aus den Augenhöhlen getreten sind –  Stilaugen sind oft ein Warnzeichen und ein natürlicher Abstandshalter). Wir möchten mit einem Zitat von Tupoka Ogette abschließen:

Wir alle können nichts für die Welt, in die wir hineingeboren wurden. Aber jede und jeder kann Verantwortung übernehmen und diese Welt mitgestalten.

Tupoka Ogette

Tolle Menschen

Wenn Du neugierig bist, kannst Du all die tollen Menschen aus unserem Abenteuer auch auf Instagram besuchen; von den besonders umgänglichen einheimischen Ausnahmetalenten haben wir den Kontakt aber leider nicht bekommen: 

Frohes Abenteuern,
A&O

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